Mittwoch 15.05. Okay theoretisch
gibt es hier zwar WLAN, aber in meinem Zimmer, im zweiten Stock am
Ende des Flurs .. tja, da tut's nicht. Also nur schreiben und dann,
wenn ich morgen zuhause bin, online stellen. Auch gut.
Wobei der Tag schon damit anfing, dass
ich kurz davor war meinen Laptop ernsthaften Schaden zuzufügen. Das
Internet ging nicht richtig und obendrein war der Rechner super
langsam und das ist etwas wofür ich überhaupt keine Geduld
aufbringen kann ... argh ... ich gebe auf. Das Frühstück ist dafür
super, es gibt viel (heissen) Kaffee und das entschädigt mich für
die morgendlichen Computerprobleme.
Routiniert packen wir das Auto und los
geht's. Heute Vormittag wollen wir durch den Harz fahren. Ich war
noch nie hier und weil meine Eltern immer so viel davon erzählen,
will ich ihn nun auch sehen. Für die Norddeutschen ist der Harz das
nächstgelegene 'Gebirge' und somit schon immer ein beliebtes
Ausflugsziel gewesen.
Als Schulkinder war meine Mutter sowie auch
mein Vater hier im 'Schullandheim'. Später - als junge Erwachsene -
war meine Mum hier zum Felsklettern und wandern, mein Vater fuhr mit
dem Rad durch die Gegend (sie sind sich aber nie begegnet, dafür
mussten sie beide erst nach Afrika auf eine entlegene Missionsstation
in den Usambara Bergen gehen). Auch als junge Familie mit meinen
älteren Geschwistern nebst Oma waren sie hier ... So haben sie
natürlich auch viel zu erzählen und fast jeder Ort birgt eine
Erinnerung.
Irgendwo überfahren wir die ehemalige
Grenze. Heute nicht mehr vorstellbar, dass hier mal alles vermint
war. Mein Vater erzählt mir, dass man zwei Jahre brauchte um alle
Minen zu entfernen. Glücklicherweise hatten die Verantwortlichen der
DDR genau Buch geführt, wo diese deponiert wurden ... Jetzt deutet
nur noch ein Schild am Strassenrand auf die Grenze hin - aber es gibt
keinen Platz zum Halten, also auch kein Foto.
In Braunlage sind wir inzwischen auf
650 m hoch und halten kurz an. Von hier fährt eine Seilbahn auf den
Wurmberg. Wir wollen nicht dort hoch, hatten aber gehofft, dass es an
der Station - wo es gut 300 Parkplätze gibt - vielleicht auch eine
öffentliche Toilette ist. Aber - wie so oft in Deutschland -
Fehlanzeige. Also das ist eines der wenigen Dinge, die die Amerikaner
uns voraus haben. Denn dort gibt es, gerade an solchen
Touristenplätzen, immer genügend WCs.
Auch in Clausthal-Zellefeld machen wir
einen kurzen Stop. Hier gibt es eine der grössten Holzkirchen der
Welt und Mami und ich lassen es uns nicht nehmen diese zu
besichtigen. Faszinierend, würde Spock sagen.
Der Harz ist nicht sehr gross, aber
landschaftlich wirklich schön. Die Strassen winden sich durch die
Wälder und sind relativ gut ausgebaut. Dies zieht natürlich auch
eine Menge Motorradfahrer an. Leider beherrscht nicht jeder die
Kunst des Kurvenfahrens und Unfälle sind wohl fast unvermeidlich.
Auch heute sehen wir wieder einen. Glücklicherweise scheint niemand
etwas Ernsthaftes passiert zu sein, nur das Moped liegt unter der
Leitplanke eingeklemmt. Ich bekommen immer ein flaues Gefühlt im
Magen, wenn ich so etwas sehe. Erinnerungen werden wach an meine
eigene Motorradfahrerzeit und einen Unfall der damals - zum Glück -
auch relativ glimpflich ausging ...
Richtung Göttingen kommen wir wieder
in die Ebene runter. Kurz verfahren wir uns, dank mir, weil ich
meinen Dad in eine falsche Strasse lotse. Aber einmal U-Turn und wir
sind wieder auf Kurs. Ab hier folgen wir nun der B27, die uns
theoretisch bis vor die Haustür bringen würde. Doch heute wollen
wir noch nicht so weit.
Als wir durch den Ort 'Friedland'
fahren, erzählt mein Vater mir, dass dort ein grosses Auffanglager
ist. Angefangen hatte es mit den Kriegsgefangenen, die nach dem
Weltkrieg aus Russland heimkehrten und hier erstmal 'erfasst' wurden
und rausfinden konnten, wohin es ihre Familien verschlagen hatte.
Später nutzte man das Lager für die Asylantenströme der frühen
80er Jahre. Und als die ersten DDR-Flüchtlinge in den Westen kamen,
errichtete man das Grenzdurchgangslager. Noch heute gibt es das
Areal, nach dem Motto, man weiss nie, wann die nächste 'Welle'
Menschen aus irgendeinem Land fliehen muss ...
Für die letzte Nacht on the road hatte
ich ein besonders schön gelegenes Hotel ausgesucht. Die Buchenmühle
bei Lohr (kurz vor Würzburg). Dank Google Map finden wir auch die
Strasse, die dorthin führen soll. Doch nach 2 km durch den Wald
fahren sind wir nicht mehr sicher, ob wir wirklich noch richtig sind,
bis wir plötzlich durch die Bäume ein Haus sehen. Und tatsächlich,
das Landhotel. Kurz gibt es etwas Verwirrung, weil die Dame an der
Theke/Rezeption meine Reservierung nicht finden kann und das Gasthaus
scheint ziemlich ausgebucht zu sein. Bloss keine Panik. Und als ich
den Hund erwähne, erinnert sich die Bedienung dass sie mit mir
telefoniert hatte. Zum Glück gibt es auch noch zwei Zimmer für uns.
Allerdings sind die im zweiten Stock - ohne Fahrstuhl natürlich -
was meinen Vater nicht so begeistert (er hat Schwierigkeiten Treppen
zu steigen). Aber ich bin es ja von zuhause gewohnt und trage die
Taschen nach oben.
Wildromatisch in einem Tal gelegen -
natürlich an einem Bach, von wegen Mühle und so - ein einladendes
Haus mit grossem Biergarten. In diesem lässt mein Dad sich auch
gleich nieder. Zwar hat es sich etwas bewölkt, aber die Temperaturen
sind immer noch angenehm mild.
Mami und ich beschliessen noch eine
Runde spazieren zu gehen. Natürlich nehmen wir Clyde auch mit, der
sich im Wald gleich wieder ein paar Zecken einfängt - irgendwie
taugt das Anti-Zecken-Mittel nicht viel.
Oberhalb des Tal liegt die
Wallfahrtskirche 'Maria Buchen' und die möchten wir gerne anschauen.
Wir haben Glück und das Gotteshaus ist offen. Ich zünde ein
Kerzlein an und wir geniessen noch ein wenig die Waldluft und
Aussicht, bevor wir uns an den 'Abstieg' machen.
Da es immer noch warm genug ist, setzen
wir uns zu meinem Dad und bestellen das Abendessen. Doch kaum sind
wir zu Hälfte fertig, fängt es an zu regnen. Zum Glück sitzen wir
unter einem grossen Schirm, aber als die Teller leer sind, zieht es
uns doch nach drinnen. Im Kaminzimmer trinke ich noch gemütlich
einen Pfefferminztee und meine Eltern einen Verdauungsschnaps und wir
lassen den Abend ausklingen.
Später im Zimmer habe ich dann
irgendwie keine grosse Lust mehr zu schreiben. Das Internet
funktioniert auch nicht und so klappe ich den Schleppi zu und schaue
noch ein bisschen fern bis mir die Augen zufallen. Clyde schläft
schon längst und zappelt, während er träumt, mit den Pfoten ...
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